William Faulkner, Licht im August
Was ist das, das einen veranlasst, ein Buch noch einmal zu lesen? Nach 25 Jahren. Man erinnert sich noch genau an die Begeisterung, an all die körperlichen Reaktionen wie Hitze, Schwitzen, Atemlosigkeit und Fassungslosigkeit, wenn das Buch zu Ende ist und man erschöpft, aber auch erleichtert zurück bleibt. Und dass das gar nicht so häufig passiert in einem Leseleben. Aber dies gerade der Maßstab ist, den man eigentlich erwartet, immer wiederzufinden; bei jedem neuen Buch, bei jeder neuen Lektüre. Und ständig enttäuscht wird von der ewigen Flut an belanglosen Neuerscheinungen, die uns unterhalten und das ist ja immerhin auch schon etwas. Die uns allen aber als Sensation, als Jahrhundertbuch vom Markt der Verlage und des Feuilletons angepriesen werden. Und dann erscheint die Neuauflage dieses wirklich großen Jahrhundertsromans in einer neuen Übersetzung. Und du erinnerst dich wieder, schleichst drum herum, nimmst es endlich in die Hand und mit nach Hause und du bist für 3 Tage und Nächte verdorben für den Buchalltag. Und alles wiederholt sich. Und du bist wieder in Yoknapatawpha County in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderst, diesem Nest in Mississippi. Hitze, Staub, Dreck setzen die Poren zu, der Lärm des Sägewerks dröhnt in den Ohren. Die schwangere, obdachlose Lena Grove trottet wie die Jungfrau Maria eine schier endlose Landstrasse entlang auf der Suche nach dem Vater ihres Babys. Und allmählich werden alle Figuren Faulkners lebendig. Byron Bunch, der in Lena verliebt ist. Pastor Gail Hightower, dessen Frau auf mysteriöse Weise umgekommen ist und deshalb sein Amt niedergelegt hat. Joe Christmas, Arbeiter im Sägewerk, der eines Mordes beschuldigt , fliehen muss. Percy Grimm, der hasserfüllte Rassist. Und wie Faulkner die Handlung vorantreibt, immer wieder unterbrochen durch Rückblenden, ist meisterhaft. Armut, Bigotterie, religiöser Fanatismus, Rassismus des Südens prallen aufeinander in einem fulminanten Höhepunkt. Nur Lena Grove, mit ihrem ungeborenen Kind im Leib, zieht weiter, begleitet von Byron Bunch, nach Tennessee.
Zur Neuübersetzung schrieb Fritz J. Raddatz am 03.06.2008 (ZEIT ONLINE) über den deutschen Titel des Buches:
“Zum Abschluss noch eine Erörterung, knifflig genug – aber ich vermisse doch sehr, dass sie nicht einmal in einer redaktionellen Notiz angestellt wurde. Seit Erscheinen des amerikanischen Originals im Jahre 1932 ist der Titel des Romans umstritten. Einerseits wurde stets betont, dass Faulkner sich von dem Flimmer-Licht des Mississippi hat inspirieren lassen, das besonders im August gleißt und funkelt. Andererseits bedeutet »light« auch »leicht« und war in jenen Jahren ein Slang-Ausdruck für Schwangerschaft und das »Leicht«-Sein oder -Werden ein Synonym für die Geburt. Und die Symphonie dieses Romans hebt nun einmal an mit den Takten der sich über die Landstraßen schleppenden Lena Grove, deren uneheliches Kind das »Licht« der Welt im August erblickt.”