Eine Antwort zu “Offener Brief an Wikipedia”

Die Antwort von Pavel Richter, Vorstand Wikimedia Deutschland e.V., auf unseren Offenen Brief. Ganz lieben Dank dafür! 🙂

Pavel Richter, Foto: Die Hoffotografen, Berlin, CC-BY-SA 3.0
Pavel Richter, Foto: Die Hoffotografen, Berlin, CC-BY-SA 3.0

Liebe web-2.0-Redaktion der Stadtbibliothek Köln,
Bibliotheken sind ein großartiges Projekt! Wir alle nutzen sie täglich und ziehen den Hut vor diesem Konzept und seinem Erfolg. Wie ernst wir Bibliotheken nehmen, sieht man schon daran, dass wir sogar ein eigenes Bibliotheksstipendium haben. Wer für seine Mitarbeit in der Wikipedia auf eine Bibliothek zurückgreift, kann sich die anfallenden Gebühren von uns erstatten lassen. Denn hinter jedem guten Wikipediaartikel steht zumeist mindestens ein gutes Buch!
Der Vergleich mit einer Bibliothek ist auch keineswegs anmaßend gemeint, sondern anerkennend, ja bewundernd. Denn wir, die Bibliotheken und die Wikipedia, sind in ähnlicher Mission unterwegs: Wir wollen, das Menschen Zugang zu Bildung und Wissen haben, unabhängig von ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten. Und als ein junges Projekt, im Netz entstanden und dort zu Hause, können wir viel lernen von den Erfahrungen & der Expertise von Bibliotheken, Archiven, Museen und anderen Gedächtnisorganisationen.
Natürlich ist Wikipedia nicht wirklich eine Bibliothek; aber die Motive, warum Wikipedia genutzt wird sind doch vergleichbar mit dem Impuls, der jemanden wohl häufig in eine Bibliothek führt: Man möchte etwas Wissen.
Wikipedia bietet zwei Dinge, die eine Bibliothek nicht bieten kann: Erstens stellen wir nicht das Rohmaterial (also Bücher) zur Verfügung, sondern ein Kondensat des Stands der Wissenschaft und der Forschung; man kann sich also in der Wikipedia einen guten Überblick verschaffen zu einem Thema. Und zweitens ist das Wissen bei Wikipedia Frei – nicht frei wie in “Freibier”, also nur kostenlos, sondern frei wie in “Freiheit”. Alles, was man in der Wikipedia findet, kann man (unter Beachtung der einfachen Lizenz) weiterverwenden, weiterverarbeiten, verändern, kopieren, erweitern, etc.
Aber Wikipedia sieht sich keineswegs als Konkurrenz zu Bibliotheken, sondern als Ergänzung und als Ausgangspunkt. Mein Verständnis von Wikipedia ist das eines “Wissenssprungbretts”: Man startet in der Wikipedia, verschafft sich einen Überblick, und taucht dann (über weiterführende Links und über die angegebene Literatur, die man z.B. in Bibliotheken findet!) ein in ein Meer von Wissen, das außerhalb der Wikipedia liegt.
In diesem Sinne: Auf gute Zusammenarbeit.
    Herzlichst, Ihr
    Pavel Richter
    Vorstand
    Wikimedia Deutschland e.V.

8 Antworten auf „Eine Antwort zu “Offener Brief an Wikipedia”“

  1. Meine Lieblingsanekdote in diesem Zusammenhang ist ja immer folgende: Ich recherchierte für einen Wikipedia-Artikel und besuche meine Lieblings-Bibliothek, um nach Material zu suchen. Natürlich hatte ich vorher Bibliotheks-Kataloge gewälzt, und als ich nicht weiterkam, frage ich die freundlichen Damen dort, ob sie noch eine Idee zur Literaturrecherche haben. Kurzes Nachdenken, Aufruf der Wikipedia-Seite zum Thema und freundlicher Hinweis: “Sie wissen ja, daß es unten in einem Wikipedia-Artikel immer auch gute Literaturhinweise gibt…”

  2. Und noch eine kleine Randbemerkung (eines Ex-Kölners 🙁 und Wikipedia-Autoren 🙂 ). Wikipedia-Autoren sind im Schnitt mit die größten Freunden von Büchern (und nicht zuletzt von gedruckten). Ohne sie – das hat Pavel schon erwähnt – wäre wir nichts. Übrigens wären wir sogar froh, wenn es noch Brockhaus, Meyers und Britannica (auch in gedruckter Form) gäbe. Ich denke ich kann für den Großteil der Autoren sprechen: wir lieben Bücher und Bibliotheken! Und wir können und wollen sie nicht ersetzen. Wir wollen genau das tun, was Elke so schön gezeigt hat. Ein (erster) Schritt. Immerhin können wir sogar noch an der ein oder anderen Stelle als Ergänzung zu Bibliotheken dienen, sind wir doch auch zusätzlich eine große Fotothek und in Teilen sogar ein Archiv. Und noch eine kleine Info nebenbei – Wikipedia hat mittlerweile in allen Sprachversionen mehr als 23 Millionen Artikel ( http://meta.wikimedia.org/wiki/List_of_Wikipedias ) – manchmal sind wir leider nicht so aktuell, wie wir es gerne wären 😉 .

  3. Man darf dabei nicht ausblenden, dass es Themenbereiche in der Wikipedia gibt, in denen die Artikel durch gezielte Bearbeitungen schlicht unbrauchbar werden. Beispiele dafür sind Seiten wie “Eigentümlich frei” oder “Michael Klonovsky”. Wer die dortigen Diskussionsseiten liest, könnte am gesunden Menschenverstand zweifeln (und das sind nur 2 Beispiele).
    Vor allem aber stellt sich die Frage, warum Administratoren und Führungspersönlichkeiten in diesen Fällen nicht eingreifen, um eine neutrale und ausgewogene Darstellung zu ermöglichen.

    1. Administratoren sind normale Wikipedia-Autoren mit einem Putzeimeimer. Sie haben keine größere Deutungshoheit oder “besseres” Wissen als der Rest der Autoren. Und die Angriffe von Rechts derzeit sind eher peinlich für sich.

    2. Die Wikipedia bietet eine große Leserschaft, die man anonym erreichen kann: Sie bietet Macht ohne Verantwortung. Das zieht ideologische Missionare an und solche Autoren haben dann wenig im Sinn mit objektiver Information für urteilsfähige Leser; stattdessen betrachten sie die Wikipedia als Werkzeug zur Verbreitung “richtiger” Meinungen und die Leser als Objekte der Agitation für die vermeintlich “gute Sache”. Die Verfemung von “Eigentümlich frei” oder “Michael Klonovsky” sind nur die jüngsten Beispiele. Vor ihm musste z.B. Feminismuskritiker Arne Hoffmann sich dort diffamieren lassen. Einträge z.B. über die linksextreme Zeitschrift “junge Welt”, über die Antifa, über den kommunistischen Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge u.v.a.m. dagegen werden regelmäßig von kritischen Passagen befreit.
      Fazit: Außer für ideologisch unbelastete Themen wie etwa Ernährungsphysiologie oder Starhlungsphysik ist die Wikipedia nicht zu gebrauchen.

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