„Um in einer komplexen Welt mit gigantisch wachsenden Informations- und Datenmassen zu überleben, kommt es scheinbar auf Schnelligkeit und Effektivität an. Big Data-Technologie verheißt schnelle Reaktionen, Prognosen und Geschäftsmodelle: Warum sollten wir uns lange mit dem Warum und Wieso aufhalten? Schnelle Suchmaschinen finden scheinbar Lösungen unserer Probleme, bevor wir die Ursachen und Gesetze verstanden haben.
So taumeln wir effektivitätsversessen und mit rasanter Geschwindigkeit in eine Zukunft, in der nur noch der schnelle Erfolg zählt. Einflussreiche Propheten der digitalen Welt propagieren bereits „das Ende der Theorie“ (Chris Anderson). Was aber passiert, wenn wir uns nur auf unverstandene Formeln und Eckdaten verlassen, hat die Wirtschaftskrise von 2008 gezeigt. Medikamente in der Medizin helfen wenig, wenn wir auf kurzfristige Effekte setzen, ohne die gesetzmäßigen Zusammenhänge verstanden zu haben. Die Vorausberechnung von Kriminalität, Terror und Kriegseinsätzen hilft wenig, wenn wir die zugrunde liegenden Ursachen und Wirkungszusammenhänge nicht begreifen. Wenn staatliche Sicherheit in totale Überwachung umschlägt, ist die Demokratie verloren.
Für die Besinnung auf die Grundlagen, die Theorien und Gesetze, die zu der komplexen Welt führen, in der wir heute leben. Wer dieses Gedankengeflecht nicht durchschaut, ist blind für die Leistungsmöglichkeiten, aber auch Grenzen unserer Alltags- und Berufswelt. Am Ende zielen wir also auf eine Stärkung unserer Urteilskraft, d.h. die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen, das „Besondere“, wie der Philosoph Kant sagt, mit dem „Allgemeinen“ zu verbinden, in diesem Fall die Datenflut mit Reflexion, Theorie, Gesetzen und Maß, damit eine immer komplexer werdende und von Automatisierung beherrschte Welt uns nicht aus dem Ruder läuft.“
(Klaus Mainzer zum Thema „Big Data und die neue Weltordnung“ in der Zeitschrift VierNull – Magazin für phygitalen Fortschritt 02/2014).
Foto: Copyright Klaus Mainzer
Im Gespräch mit Gert Scobel stellt Klaus Mainzer am Dienstag, 8. April um 20 Uhr in der Kölner Zentralbibliothek sein aktuelles Buch „Von der Weltformel zu Big Data“ vor.
Das Buch erscheint am 10. April im Beck Verlag. Der Stadtbibliothek Köln ist es gelungen, den Autor schon zwei Tage vorher einzuladen. Druckfrische Buchexemplare werden vorhanden sein.
Klaus Mainzer arbeitet als Direktor der Carl von Linde-Akademie an der Technischen Universität München und lehrt dort Philosophie und Wissenschaftstheorie. Seit 2012 ist er Gründungsdirektor des Munich Center for Technology in Society.
Gert Scobel leitet die 3sat-Sendung „scobel“. Wir freuen uns, dass Gert Scobel immer wieder Gesprächspartner in unserer Reihe „Wissenswert – Themen am Puls der Zeit“ ist.
Der Eintritt kostet im Vorverkauf bei KölnTicket sieben Euro, ermäßigt fünf Euro und an der Abendkasse acht Euro, ermäßigt sechs Euro.
Kulturprogramm der Zentralbibliothek