Intelligente Werkzeuge in der HWK Köln

Wie viele Diplom-Ingenieure braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln?
Keine Ahnung, aber wahrscheinlich finden sie eine Lösung. Und ab demnächst könnte diese Lösung durchaus mit 3D-Druck zu tun haben.
Am vergangenen Freitag trafen sich nämlich Dipl.-Ing.s, Dipl.-Kfm.s und jede Menge anderer Dipl.s auf Einladung des Technologie-Transfer-Rings Handwerk NRW in den Hallen der Handwerkskammer zu Köln, um über 3D-Druck zu diskutieren. Unter dem Titel 3D # Daten Digital Drucken sollte der Frage nachgegangen werden, ob 3D-Druck (und 3D-Scan) denn nun tatsächlich die oft propagierte dritte industrielle Revolution einläute – oder ob es sich nur um einen Medienhype handele.
Um sich dieser Frage anzunähern, kamen verschiedene Experten aus dem Bereich der generativen Fertigungsverfahren zu Wort. Den Anfang machte René Bohne vom FabLab der RWTH Aachen. Der Fachmann für Mensch-Computer-Interaktion kam über das wearable computing (das sind in die Kleidung integrierte Minicomputer) an den 3D-Druck. Mit viel Witz legte er die handwerklichen Defizite von Informatikern dar – sie hätten keine Ahnung von Material und Statik geschweigedenn irgendwelche handwerklichen Fähigkeiten. Für solcherlei Dinge programmieren sie lieber Maschinen, die dann das Handfeste für sie erledigen. Und so hat das FabLab in Aachen bis heute einen beachtlichen Gerätepark zusammengestellt: 3D-Drucker Dimension Elite, selbst gebauter MakerBot Cupcake CNC, Lasercutter… und mehr. Bohne erklärte Funktionsweisen und Vor- und Nachteile der einzelnen Geräte. Sehr spannend!

René Bohne demonstriert nach seinem Vortrag den FabScan – ein 3D-Scanner, den man sich für rund 100 Euro selbst zusammenbauen kann.

Als nächstes durfte Alexander Speckmann, Gründungsmitglied der Kölner Dingfabrik, über Druck und Scan referieren. Seine Prämisse: Einzuordnen ob 3D-Druck nun Revolution oder Evolution ist, sei Aufgabe der Historiker – viel wichtiger sei, was aktuell geschehe und wie man damit umzugehen habe. In einem kreativen Rundumschlag stellte Speckmann das grundlegende Konzept der 3D-Drucker als “Materialportionierer” dar: von Zucker über Speisepüree bis zu Mäusenieren – ein 3D-Drucker tut eigentlich nichts anderes, als ein gewisses Basismaterial sehr genau, automatisch und mechanisch präzise zu organisieren. Und darum sei 3D-Druck besonders bei Einzelstücken stark, wie sie die Prothetik z.B. fordert.

Ein anderes Beispiel ist eine tatsächlich funktionierende Stradivari aus dem Drucker. Sie diente Speckmann als Indikator dafür, dass durch die automatisierte Fertigung der Geige das traditionelle Handwerk sogar aufgewertet werde. Logisch: In der handgemachten Meistergitarre steckt im Zweifel mehr Arbeitskraft und echtes Holz klingt für den Kenner wohl besser als die Kompromisslösung aus dem Drucker. Und um dem aktuellen Hype etwas entgegenzuwirken betonte Speckmann, dass nicht jedes Druckverfahren mittel- bis langfristig für’s Wohnzimmer tauge. Das Basismaterial für Pulverdrucker ist umständlich, teilweise entstehen giftige Dämpfe und es gibt Preisgrenzen, die nicht unterschritten werden können.

Nach der Theorie die Praxis: Oliver Rosito ist Designer aus Köln und hat sich aus Interesse einen MakerBot Replicator 2 gekauft. Und sofort taten sich neue und spannende Anwendungsmöglichkeiten für ihn auf. So kamen etwa etliche Anfragen aus dem Handwerk zu kleinen Ersatzteilen. Einen Halterungsring, der nicht produziert wird, konnte Rosito für 30 Euro umsetzen – inklusive Design am Computer und Ausdruck. Ein anderer Kunde brauchte für seinen Oldtimer eine möglichst originalgetreue Tachonadel und Gummidichtungen. Zwar kann Rositos Replicator weder Gummi noch Glas verarbeiten, aber er modellierte Negativformen, die dann nur mit dem entsprechenden Material gefüllt werden mussten. Diese und weitere Beispiele belegen, dass es durchaus praktische Anwendungen für 3D-Drucker gibt, welche sich explizit an Privatleute und Kleinunternehmer richten.

Oliver Rosito holt das Maximum aus seinem MakerBot raus: u.a. ein Dom-Förmchen und ein Prototyp für eine Maus aus Holz-Filament
Oliver Rosito holt das Maximum aus seinem MakerBot raus: u.a. ein Dom-Förmchen und ein Prototyp für eine Maus aus Holz-Filament

Das Preisspektrum rollte Harald Schmitz der HWK Köln von der anderen Seite auf: Wo ein MakerBot rund 2.000 Euro kostet, müsste man für einen Computertomographen von Zeiss ca. 500.000 Euro berappen. Das ist dann aber ein 3D-Scanner, der auch das Innenleben von Objekten erfasst und mit acht Tonnen etwa die Dimensionen eines Kinderzimmers aufweist.
Schmitz bilanzierte: Das Handwerk wird auf keinen Fall ersetzt! Ganz im Gegenteil. Symptomatisch für den 3D-Druck und die Gesellschaft, in der er möglich ist, sind:

  • fortschreitende Individualisierung der Gesellschaft,
  • kürzere Produktzyklen,
  • automatisierte Herstellung,
  • kaum Nacharbeit,
  • große Materialvielfalt.

Und angesichts dieser Trends zeigt sich, dass die Expertise des Handwerks wichtiger denn je werde. Wo Prozesse und Materialien im Zentrum stehen, wird die Kenntnis um ebendiese zentral. Nach Schmitz sind die folgenden Handwerke von 3D-Druck und -Scan betroffen: Konditoren, Tischler, Elektriker, Formen- und Modellbauer, Zahntechniker, Hörgeräteakuster, Orthopäden, Schuhmacher, Schneider, Kürschner, Modisten… und Goldschmiede. Tendenz steigend.
In einem angenehm bodenständigen Fazit charakterisiert Schmitz das Thema 3D weder als Weltrevolution, noch als inhaltslosen Hype – denn die Wahrheit liegt wie so oft irgendwo dazwischen. Und so ist seine Formulierung des 3D-Drucks als “intelligentes Werkzeug” sehr treffend.

sa

PS: Wir konnten auf der Veranstaltung einige Kontakte für unseren 3Day knüpfen, der im Sommer in der Zentralbibliothek stattfindet: Wir versammeln Enthusiasten und Firmen aus Köln und Umgebung, die sich mit den Technologien beschäftigen, und bestücken unseren Veranstaltungsraum mit ihren 3D-Druckern und 3D-Scannern. Während unserer Öffnungszeiten führen die Aussteller ihre Hard- und Software vor, zeigen Projekte, die mit 3D-Druck und 3D-Scan verwirklicht wurden, und stehen für Erklärungen und zum Fachsimpeln bereit. Nebenher wird live 3D-modelliert und auch die ein oder andere Aktion wird nicht fehlen. Mehr Informationen auf unserer geeks@cologne-Seite.

2 Antworten auf „Intelligente Werkzeuge in der HWK Köln“

    1. Ja, da gehen wir auch von aus. Es gibt bereits Modelle für’s Weihnachtsgeschäft, die um die 500 Euro kosten – da wissen wir aber nicht, wie gut die sind. Einschlägige Testseiten werden Dir das aber verraten. 😉

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