Offener Brief an Wikipedia

Screenshot des Spendenaufrufs

Dieses Schreiben bezieht sich auf den aktuellen Spendenaufruf von Wikipedia, unterzeichnet von Pavel Richter, Vorstand Wikimedia Deutschland e.V.
 
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Sehr geehrter Herr Richter,
Wikipedia ist ein großartiges Projekt! Wir alle nutzen sie täglich und ziehen den Hut vor diesem Konzept und seinem Erfolg. Wir wissen von vielen Kooperationen zwischen Wikipedia und Bibliotheken und wir sehen auch die Notwendigkeit, für den Erhalt und Ausbau von Wikipedia mit Spendenkampagnen zu werben.
Was uns an Ihrem aktuellen Aufruf stutzen lässt, ist die Gleichsetzung von Wikipedia und Bibliothek. Wikipedia wurde 2001 gegründet als “freies Online-Lexikon, Nachschlagewerk, Enzyklopädie”. In diesem Sinne definiert sie sich heute noch. Wikipedia als „Bibliothek“, ja, als „größte Wissenssammlung der Menschheit“ zu bezeichnen, erscheint uns nicht angemessen. Laut eigener Auskunft veröffentlicht Wikipedia international 17 Millionen Artikel. Gleichzeitig liest man in Wikipedia: “Die British Library beherbergt mit über 150 Millionen Werken den weltweit größten Medienbestand aller Bibliotheken.” Und dabei nimmt das gedruckte Buch nur rund 17% dieser enormen Sammlung ein, denn Bibliotheken wenden sich einem großen Medienspektrum zu.
Vom Umfang und Art des Bestandes mal abgesehen sagen wir: Eine Bibliothek ist mehr als Wissen und Information, mehr als die Summe der Medien, ihrer Nutzer und ihrer Online-Angebote. Sie ist auch ein Ort, an dem Menschen zusammen arbeiten, sich austauschen und lernen. Ein Ort, an dem die Informationssuche durch fachliche Beratung unterstützt wird. Eine Bibliothek bewirkt Synergieeffekte (im Sinne von sich “gegenseitig fördern”), und ihr nachhaltiger Erfolg basiert auf professionellem Wissensmanagement. Übrigens auch all das ohne „störende Werbung“. 😉
Keiner möchte mehr auf den imponierenden Wissensschatz von Wikipedia verzichten. Aber Wikipedia ist keine Bibliothek. Eine Bibliothek heute ist ein realer Treffpunkt in einer zunehmend digitalen Welt. Und die vielen fundierten Wikipedia-Beiträge über Bibliotheken sollten uns alle daran erinnern, dass Bibliotheken unverzichtbare Kultur- und Bildungsorte sind.
Wir wünschen Ihnen vollen Erfolg bei der Spendensammlung und eine Kampagne, die ihre Überzeugungskraft aus den ureigenen Wikipedia-Potentialen gewinnt.
Mit herzlichen Grüßen
Die web-2.0-Redaktion der Stadtbibliothek Köln

5 Antworten auf „Offener Brief an Wikipedia“

  1. Liebe web-2.0-Redaktion der Stadtbibliothek Köln,
    Bibliotheken sind ein großartiges Projekt! Wir alle nutzen sie täglich und ziehen den Hut vor diesem Konzept und seinem Erfolg. Wie ernst wir Bibliotheken nehmen, sieht man schon daran, dass wir sogar ein eigenes Bibliotheksstipendium haben. Wer für seine Mitarbeit in der Wikipedia auf eine Bibliothek zurückgreift, kann sich die anfallenden Gebühren von uns erstatten lassen. Denn hinter jedem guten Wikipediaartikel steht zumeist mindestens ein gutes Buch!
    Der Vergleich mit einer Bibliothek ist auch keineswegs anmaßend gemeint, sondern anerkennend, ja bewundernd. Denn wir, die Bibliotheken und die Wikipedia, sind in ähnlicher Mission unterwegs: Wir wollen, das Menschen Zugang zu Bildung und Wissen haben, unabhängig von ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten. Und als ein junges Projekt, im Netz entstanden und dort zu Hause, können wir viel lernen von den Erfahrungen & der Expertise von Bibliotheken, Archiven, Museen und anderen Gedächtnisorganisationen.
    Natürlich ist Wikipedia nicht wirklich eine Bibliothek; aber die Motive, warum Wikipedia genutzt wird sind doch vergleichbar mit dem Impuls, der jemanden wohl häufig in eine Bibliothek führt: Man möchte etwas Wissen.
    Wikipedia bietet zwei Dinge, die eine Bibliothek nicht bieten kann: Erstens stellen wir nicht das Rohmaterial (also Bücher) zur Verfügung, sondern ein Kondensat des Stands der Wissenschaft und der Forschung; man kann sich also in der Wikipedia einen guten Überblick verschaffen zu einem Thema. Und zweitens ist das Wissen bei Wikipedia Frei – nicht frei wie in “Freibier”, also nur kostenlos, sondern frei wie in “Freiheit”. Alles, was man in der Wikipedia findet, kann man (unter Beachtung der einfachen Lizenz) weiterverwenden, weiterverarbeiten, verändern, kopieren, erweitern, etc.
    Aber Wikipedia sieht sich keineswegs als Konkurrenz zu Bibliotheken, sondern als Ergänzung und als Ausgangspunkt. Mein Verständnis von Wikipedia ist das eines “Wissenssprungbretts”: Man startet in der Wikipedia, verschafft sich einen Überblick, und taucht dann (über weiterführende Links und über die angegebene Literatur, die man z.B. in Bibliotheken findet!) ein in ein Meer von Wissen, das außerhalb der Wikipedia liegt.
    In diesem Sinne: Auf gute Zusammenarbeit.
    Herzlichst, Ihr
    Pavel Richter
    Vorstand
    Wikimedia Deutschland e.V.

  2. Ich möchte nicht ordinär werden aber manche Menschen, kann man als Korinthenkacker bezeichnen, wenn auch nicht sehr akademisch klingt. Ich liebe Bücher, und konnte auch nicht ohne Bücher leben, aber wie viele Menschen Zeit haben “täglich” eine Bibliothek zu besuchen? Nicht viele wenn nicht arbeitslos, Studenten oder Rentner sind, außerdem wenn ich eine Information braucht und in der Mitte eine Übersetzung bin kann ich nicht in der Bibliothek rennen…ich kann nur Wikipedia dankbar sein. Wenn man komplizierte Artikeln schreiben will, dann soll man sich di Zeit nehmen und eine Bibliothek besuchen. Wenn ich auch privat ca. 5000 Bücher über Geschichte, Psychologie, Archäologie und in verschiedene Sprachen habe, hätte ich die Zeit nicht dauernd zwischen diese Bücher bestimmte Informationen zu suchen, ich tue es nur in wichtige Sachen und wenn notwendig ist die Kenntnisse zu vertiefen. Daher Wikipedia ist eine fantastische Erfindung.

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