Das war “Lichtjahre Voraus”

Wann kann man schon einmal Experten aus dem Bereich der Raumfahrt und der Weltraumforschung zuhören? Und wann kann man ihnen seinen eigenen Fragen stellen? Wir ermöglichen euch das einmal im Jahr bei “Lichtjahre voraus”! Am 20. Oktober hatten wir wieder 3 Mitarbeiter des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in die Zentralbibliothek eingeladen. Und weil wir auch die an den spannenden Themen teilhaben lassen möchten, die an dem Abend keine Zeit hatten, machen wir diesen Blogartikel etwas detaillierter.

Tweets von Alexander Gerst zur Einstimmung

Den ersten Vortrag hielt Dr. Manuel Metz, der Experte für Weltraummüll beim DLR. Vermutlich hat jeder schon einmal von Weltraummüll gehört. In über 50 Jahren Raumfahrtgeschichte sind immerhin fast 5000 Raketenstarts erfolgt und über 6000 Satelliten ausgesetzt worden. Und nur wenig davon hat unseren Orbit verlassen oder ist nach seiner aktiven Zeit wieder in die Atmosphäre eingetreten. Zurzeit umrunden unseren Planeten 750.000 Weltraummüllobjekte mit einer Größe von über 1 cm. Nur von 16.300 dieser Objekte kennt man die genaue Flugbahn. Zum Weltraummüll zählen z.B. ausgediente Satelliten, Raketenoberstufen, freigesetzte Objekte und Schlacke von Feststoffraketen. Besonders schlimm wird es jedoch, wenn Kollisionen oder Explosionen auftreten. Als China 2007 einen eigenen Wettersatelliten abschoss, wuchs die Menge an Weltraummüll um etwa 3500 Objekte an. Zwei Jahre später kollidierte ein ausgedienter Satellit mit einem aktiven Satelliten – mit ähnlichen Folgen.
Die Flugbahnen des Weltraummülls sind für die Raumfahrt gefährlich. Weltraumteleskope werden genauso getroffen wie die Internationale Raumstation. Ausweichmanöver sind keine Seltenheit. Und für Astronauten auf Außenbordeinsatz wäre ein Zusammenstoß tödlich, daher halten sie sich so gut wie möglich im Schatten der ISS.
Wie kann ein Raumfahrzeug geschützt werden? Eine Panzerung kommt nicht in Frage, da sie sehr dick und schwer sein müsste, um die Einschläge in sich aufzunehmen. Effizienter gegen kleine Müllteilchen ist das sogenannte Whipple-Schutzschild: zwei Ebenen mit Hohlraum dazwischen. Beim Durchschlagen der äußeren Prallplatte zerstäubt das Objekt.
Auf lange Sicht wichtiger ist jedoch die Müllvermeidung. Zwei Maßnahmen wurden international ins Auge gefasst: Objekte der Raumfahrt sollten nach ihrem Ausdienen entweder innerhalb von 25 Jahren langsam absinken und wieder in die Atmosphäre eintreten oder aber sie werden in einen Friedhofsorbit verbracht. Dort bewegen sie sich langsamer und in die gleiche Richtung und bewegen sich nicht auf gleicher Höhe mit aktiven Objekten. Inaktive Objekte sollten außerdem zur Vermeidung von Explosionen ihren Treibstoff verbrauchen und Druckbehälter entleeren. Gesetzlich geregelt ist all dies natürlich nicht.
Wer es lieber etwas aktiver hat, für den sind die Zukunftskonzepte des Active Debris Removals interessant: z.B. das Einfangen größerer Objekte mit Netzen oder Roboterarmen. Ein Riesenmagnet scheidet übrigens aus: Nur wenige Werkstoffe der Raumfahrt sind magnetisch.
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Den zweiten Vortrag hielt Andreas Schreiber, Leiter der Abteilung „Verteilte Systeme und Komponentensoftware“. Es ist nachvollziehbar, dass auch das DLR Softwareentwicklung betreibt. Überraschend ist eher das Ausmaß: Immerhin 25% der Personalressourcen, also etwa 100 Millionen Euro im Jahr, entfallen auf diesen Bereich. Damit gehört das DLR zu den größten Softwarehäusern Deutschlands. Abgesehen von der Entwicklung konkreter Software und der Verbesserung bestehender Software forscht das DLR auch an neuen Softwaretechnologien. Aktuell zählen dazu Themen wie Big Data, Verteilte Systeme und Augmented Reality – aber auch der Bereich High Performance Computing mit seinen sündhaft teuren Quantencomputern.
Um Weltraummüll zu katalogisieren (und damit Herrn Dr. Metz zu unterstützen), arbeitet Schreibers Abteilung an (dem völlig unalkoholischen) BACARDI, dem „Backend Catalog for Relational Debris Information“. In diese Datenbank sollen alle verfügbaren Information eingetragen oder importiert werden, um die Grundlage für zusätzliche Dienste wie Kollisionswarnungen oder Wiedereintrittsvorhersagen zu schaffen. Der Katalog arbeitet als verteiltes System (also als erweiterbarer Zusammenschluss von Rechnern) und ist auf Datensicherheit und Performanz ausgelegt.
Auch das Entwerfen von Raumfahrzeugen wird durch Software ermöglicht. Als Beispiel zeigte Herr Schreiber den Spaceliner, eine Konzeptstudie des DLR für eine Mischung aus Flugzeug und Raumschiff, das durch Hyperschallgeschwindigkeit die Strecke von Europa nach Australien in 90 Minuten bewältigen könnte. Software ermöglicht hier zum Beispiel die Simulation der Wärmeentwicklung während der Wiedereintrittsphase in die Erdatmosphäre – mit verschiedenen Wärmeschutzsystemen und Raumschiffformen. In der Designphase helfen Simulationsumgebungen wie das RCE (Remote Component Environment) dabei, Softwarelösungen verschiedener Fachdisziplinen (wie Aerodynamik und Thermalmanagement) miteinander zu verbinden, um einen passenden Workflow und Datentransfer zu ermöglichen.
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Im letzten Vortrag berichtete Johannes Weppler (DLR-Raumfahrtmanagement) über die Blue-Dot-Mission von Alexander Gerst. Vielleicht erinnert ihr euch an die Aufnahme mit der die US-Sonde Voyager 1 auf die Erde zurückblickte. Nur „ein blasser blauer Punkt“ war dort zu erkennen – ein Sinnbild für die Verwundbarkeit unseres Planeten. Der Missionsname soll die Wertschätzung für unseren Planeten stärken und darauf hinweisen, dass viele Forschungsarbeiten an Bord der ISS letztendlich der Bewahrung der Erde dienen.
Alexander Gerst wurde 1976 in Künzelsau (Baden-Württemberg) geboren. Auf seinem Weg zum Astronauten studierte er Geophysik und Geowissenschaften bis er 2009 schließlich unter 8000 Bewerbern zum Astronautenanwärter ausgewählt wurde. Heimatbasis und einer seiner Ausbildungsstandorte war Köln. Seit Mai diesen Jahres befindet er sich nun mit 5 weiteren Astronauten und Kosmonauten auf der ISS. Damit ist er der 11. deutsche Astronaut im All und der 3. deutsche Astronaut auf der Internationalen Raumstation.
Auf der ISS herrscht kein Schichtbetrieb. Die Astronauten haben innerhalb der Station den gleichen Tag-Nacht-Rhythmus wie Europa (Zeitzone GMT), auch wenn sie pro Tag 16 Sonnenaufgänge erleben. Unterhalb der Woche besteht der Tag auf der ISS aus 8 Stunden Schlaf, 8 Stunden Arbeit und 8 Stunden Freizeit. Ihre Freizeit können sich die Astronauten frei einteilen: z.B. mit Filmen, Körperpflege, Anrufen nach Hause, Fitnesstraining oder aber freiwilligen wissenschaftlichen Arbeiten wie kleineren Experimenten oder Projekten mit Schulklassen. An Samstagen wird 4 Stunden gearbeitet, Sonn- und Feiertage sind frei. Einmal am Tag essen übrigens alle Astronauten zusammen, da man sich in der Weitläufigkeit der Raumstation schon einmal aus den Augen verlieren kann.
Ein großer Bestandteil der Arbeitsstunden sind Experimente. Momentan verfügt die ISS über 3 Labormodule (Destiny, Columbus und Kibo) und wurde bereits für über 1500 Experimente genutzt. Die Experimente drehen sich meistens um Biologie, Materialwissenschaften, Physik, Physiologie oder Astrophysik. Alexander Gerst hat im Rahmen seiner Blue-Dot-Mission unter anderem die folgenden 3 Experimente durchgeführt:

  • Circadian Rhythm: Inwiefern ist die Körperkerntemperatur (unser interner Zeitgeber) beeinflusst, wenn man jenseits der natürlichen Tag-Nacht-Rhythmik lebt und arbeitet? Auf der Erde sind die Ergebnisse z.B. für Schichtarbeiter interessant.
  • EML (Electro-Magnetic Levitator): Das Testen neuer Legierungen durch Schmelze und Analyse. Die Proben sind beim Schmelzen freischwebend und werden durch ein elektromagnetisches Feld in Position gehalten. Die Ergebnisse können industrielle Gießprozesse verbessern.
  • BIOMEX & BOSS: Mikroorganismen werden direkt der Weltraumumgebung (Vakuum, Kälte, Strahlung) ausgesetzt. Die Ergebnisse geben Auskunft über die Überlebensfähigkeit von Organismen im Weltall.

Besondere Ereignisse in einem Astronautenleben sind die Außenbordeinsätze (EVA = extra-vehicular activity). Hier gilt es Reparaturen vorzunehmen oder Experimente zu installieren. Für EVAs stehen zwei Arten von Raumanzugsystemen zur Verfügung. In den russischen Raumanzug (ORLAN) steigt man von hinten ein. Da es nur eine Größe gibt ist das Tragegefühl vom Körperbau abhängig. Eine zierliche Raumfahrerin schaffte es ihren Arm nach innen in den Anzug zu ziehen und sich im Gesicht zu kratzen. Da wird so mancher Kollege neidisch. Die amerikanischen Anzüge (EMU, Extravehicular Mobility Unit) sind individuell maßgeschneidert und bestehen aus mehreren Modulen.  Allgemein gilt: Die Beweglichkeit mit Raumanzug ist stark eingeschränkt. Schon das Bewegen des Handschuhs kommt dem Zusammendrücken eines Tennisballs gleich. Die EVAs sind sehr genau durchgeplant und jeder Handgriff wird live durchgesprochen. So wird zum Beispiel auch die Anzahl von Umdrehungen vorher festgelegt, die der Astronaut mit seinem Akkuschrauber machen soll.
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Wie ihr seht: Ein Abend mit vielen Informationen und purem Space-Feeling. Nach den Vorträgen hieß es dann wieder “Preise für euer Feedback”. Jeder der unseren Feedbackzettel ausfüllte und in die Sammelbox (einen Companion Cube) warf, nahm automatisch an unserer Verlosung teil. Wir hatten wieder schöne Preise zusammengesammelt: Astronomie- und Maker-Bücher gesponsort von DLR und O’Reilly, Weltraumposter vom DLR und spacige 3D-Drucke aus unserem Makerspace. Übrigens: Wir haben in der Zentralbibliothek mehr 3D-Drucker als die ISS! 😉

Ein Teil der Preise. Herzlichen Dank an das DLR und O’Reilly!

Das Event “Lichtjahre voraus” war Teil der Veranstaltungsreihe geeks@cologne der Stadtbibliothek Köln. Alle Infos auf www.geekscologne.mixxt.de. Wenn ihr euch auf der mixxt-Seite anmeldet, werdet ihr immer per E-Mail informiert, wenn eine neue Veranstaltung angekündigt wird. Großer Dank auch an das Hochschulradio KölnCampus für die liebe Unterstützung!

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