“Ich heiße Ismael.
Ich habe fast kein Geld mehr.
Und ich habe genug vom Leben an Land.
Ich will hinaus aufs Meer.
Als Matrose. Auf einen Walfänger.
Das ist ein Schiff, mit dem man Wale jagt.
Ich bin sehr neugierig auf diese riesigen Tiere.”
Aus welchem Roman war das nochmal? Das ist natürlich der Anfang von “Moby Dick” von Herman Melville.
Und doch ist der Text irgendwie … anders. Es handelt sich nicht um das Original, sondern um eine Version in Einfacher Sprache (Herman Melville: Moby Dick. In Einfacher Sprache. Spaß am Lesen Verlag: Münster 2018).
Leichte Sprache, Einfache Sprache – was ist das?
Leichte Sprache folgt einem festen Regelwerk (wobei es mehrere gibt, z. B. die Regeln des Netzwerks Leichter Sprache oder die Empfehlungen von Inclusion Europe). Leichte Sprache verwendet kurze Sätze (maximal sieben Wörter pro Satz), keine Passivkonstruktionen, keinen Konjunktiv und keine Fremdwörter. Der Text soll übersichtlich gegliedert sein, so steht beispielsweise jeder Satz in einer eigenen Zeile.
Einfache Sprache ist demgegenüber ein wenig freier. Hier werden die Regeln der Leichten Sprache als Empfehlung verstanden. In einem Text in Einfacher Sprache wird vielleicht auch einmal der Konjunktiv verwendet oder nicht jeder Satz steht in einer eigenen Zeile.
An wen wendet sich die Leichte/Einfache Sprache?
Die Leichte Sprache soll Menschen das Verstehen von Texten erleichtern, die aus verschiedensten Gründen über eine geringere Kompetenz in der deutschen Sprache verfügen. Das können Menschen mit Lernschwierigkeiten sein genauso wie Menschen mit Demenz, mit einer anderen Muttersprache oder funktionale Analphabet*innen.
Laut BITV 2.0 (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung) muss jede öffentliche Stelle wesentliche Informationen auch in Leichter Sprache bereitstellen, was die Stadt Köln auch tut.
Literatur in Einfacher Sprache
Seit einigen Jahren bietet die Stadtbibliothek Literatur in Einfacher Sprache an (einfach mal in unserem Katalog mit “einfache sprache” suchen). Die meisten Titel stehen im Fachgebiet “Sprache” in der “Zentralbibliothek”.
Es kann sich dabei um Adaptionen klassischer oder zeitgenössischer Texte handeln oder um Texte, die im Original in Einfacher Sprache geschrieben sind.
Dabei ermöglicht Leichte/Einfache Sprache auch denjenigen Menschen einen Zugang zu Literatur, denen dieser bislang versperrt war. Die Schriftstellerin Alexandra Lüthen schreibt in ihrem Plädoyer für Leichte Sprache “Allen eine Chance”, das 2019 im Duden Verlag erschienen ist:
“Lesen war im Fall von Menschen mit Behinderungen etwas für andere, im Fall von Menschen mit degenerativen Gehirnerkrankungen etwas, das man früher gern gemacht hat, jetzt aber nicht mehr kann, bei den Deutsch-als-Zweitsprache-Lesern etwas, für das man erst noch besser Deutsch lernen muss, und bei Menschen mit funktionalem Analphabetismus erfahrungsgemäß etwas, das mit Scham verbunden ist. Ein Großteil dieser Menschen würde aber gern lesen […]” (S. 47).
Und das ist auch möglich! Besonders beeindruckend ist das Projekt, das das Literaturhaus Frankfurt am Main mit der Anthologie “LIES. Literatur in Einfacher Sprache” vorstellt (auch als E-Audio): Hier hat man namhafte Autor*innen wie Arno Geiger, Judith Hermann oder Olga Grjasnowa gebeten, einen Text in Leichter Sprache beizusteuern. Entstanden ist eine für alle lesenswerte Anthologie von Kurzgeschichten, die den Vergleich mit Texten in Standardsprache nicht scheuen müssen.
Und natürlich gibt es in der Bibliothek neben dem erwähnten Band von Alexandra Lüthen auch andere Bücher, die sich theoretisch mit Leichter oder Einfacher Sprache auseinandersetzen, wie z. B. den „Ratgeber Leichte Sprache“.