Filme: eine physikalische Liebeserklärung an den Silberling

In den USA gingen kürzlich die Oscar-Feierlichkeiten über die Bühne. Anschließend wurde sofort die Frage gestellt, ob der Beste Film auch wirklich eines Besten Filmes würdig ist. Da kann man herrlich mitdiskutieren! Denn persönlicher Geschmack und Erwartungshaltung sind vor allem eines: vielfältig. Das ist wunderbar, denn es sorgt für mediale Vielfalt. Täglich kommen unsere Kund*innen und besorgen sich Filme unterschiedlichster Art. Filme, die für sie einen Mehrwert, Leidenschaft oder schlicht Unterhaltung bieten.

Filme kurz nach Rückgabe
Filme kurz nach Rückgabe ©Stadtbibliothek Köln

Dabei sollte das Angebot natürlich genauso vielfältig sein und möglichst viele Interessen bedienen. Eine herrliche Aufgabe für die, die daran arbeiten, eine Medienauswahl bereitzustellen – also für uns. Das gilt selbstredend für alle Bereiche der Bibliothek – heute aber lege ich das Augenmerk auf meine Herzensangelegenheit: die Filme.

Streaming & Co

In Zeiten von Streaming-Anbietern haftet Silberlingen, wie CD, DVD und Blu-ray, bereits eine gewisse Altertümlichkeit an. Sie sind anfällig für äußere Einflüsse, die zu Kratzern und Brüchen führen können. Außerdem müssen sie vor Ort abgeholt werden und könnten auch vergriffen sein. In Zeiten von Streaming-Diensten mutet auch das schwerfällig an, denn der Stream startet vom Sofa aus und läuft mit stabiler Internetverbindung auch wunderbar durch. Ganz unabhängig davon, ob wir euch diese Bequemlichkeit vielleicht auch eines Tages bieten können, möchte ich ein paar Worte zu den Filmen an sich, dem Filmbestand, verlieren.
Streaming-Portale bieten ein breit gefächertes Angebot, betreiben aber auch Programmarbeit. Das heißt, dass Filme und Serien (Selbstproduziertes ausgenommen), die heute noch im Angebot sind, vielleicht morgen schon nicht mehr verfügbar sein können. Natürlich gehen auch bei uns unersetzbare Titel kaputt, doch die Halbwertszeit ist um ein Vielfaches größer. Eine weitere Einschränkung liegt in der Fülle an Anbietern. Die wenigsten von euch werden alle Streamingdienste abonnieren und so entsteht wieder ein Ausschnitt, bei dem sich der Markt voraussichtlich auch noch weiter zergliedern wird. Selten finden cineastische Schätzchen ihren Weg in eine solche Programmarbeit.  Das können Filme sein, auf die man stößt, wenn man ein bisschen tiefer in die Filmgeschichte einsteigen möchte. Und manchmal auch persönliche Juwelen, die man schon als Kind kennenlernte. Bei mir wäre das zum Beispiel Don Camillo und Peppone.

Schätze heben in der Stadtbibliothek
Schätze heben in der Stadtbibliothek ©Stadtbibliothek Köln

Soll es etwas konkreter sein? Werfen wir doch einen Blick auf eine Mainstream-Liste: die Top 250 der Internet Movie Database (IMDb). Bei dem Portal kann, grob gesagt, jeder Internetnutzer nach Anmeldung Punkte von 1-10 vergeben. Ein simples System, das inzwischen durch die Größe der Datenmenge zu einer signifikanten Aussagekraft gekommen ist. Sich einen Platz auf dieser Bestenliste fernab von Kritikerstimmen zu ergattern und zu erhalten ist nicht leicht. Dieser Liste nach wäre übrigens der Beste Animationsfilm bei den Oscars auch Bester Film geworden. Die Zeit wird zeigen, ob er das halten kann.
Bei Streaming-Anbietern wird man einige Titel dieser Liste auch finden. Alle Titel oder zumindest einen Großteil davon dort zu sehen ist aber utopisch (zumindest innerhalb der Basis-Abonnements).
Als Großstadtbibliothek wollen wir aber mehr als einen aktuellen Ausschnitt bieten und so sammeln wir, nach Möglichkeit, auch rückwirkend cinephile Schätze. Für die Liste der IMDb-Renner können wir inzwischen eine recht gute Quote vorweisen. Aktuell fehlen 7 Titel, von denen drei noch im Kino laufen. Bei den anderen vier werden wir uns für drei noch ins Zeug legen. Nur Eskiya – der Bandit ist leider nicht auf DVD mit deutschen oder englischen Untertiteln zu bekommen – der ganze Film mit ziemlich kuriosen, aber handlungserklärenden Untertiteln findet sich jedoch derzeit auf YouTube.
Schenkungen wie "Dangal"
Schenkungen wie “Dangal” ©Stadtbibliothek Köln

Wie bereits angesprochen haben wir auch Verschleiß, denn viele unserer Titel kommen trotz Streaming-Diensten immer noch auf 20 bis über 30 Ausleihen pro Jahr (bei 14 Tagen Ausleihfrist). Leider ist nicht alles davon ersetzbar, denn Titel verschwinden auch immer wieder vom Markt. Da können wir manchmal von Glück reden, dass viele unserer Kunden nach Aufräum-Attacken á la Marie Kondō an uns denken. Herzlichen Dank an dieser Stelle! So sind schon tolle Ersatz-Filme zu uns gekommen oder auch neue Schätze, wie einer der weltweit erfolgreichsten Filme vom vorletzten Jahr, Dangal, der hier leider noch immer nicht richtig angekommen ist. Und nein, Bollywood muss nicht mehr aus endlosen aneinander gereihten Tanzsequenzen bestehen.
Letztlich sei gesagt: solange der Streaming-Markt so funktioniert wie aktuell, werden wir versuchen euch eine sichere Bank für cineastische Lücken zu sein. Und eine Sache hätte ich fast vergessen: Streaming-Dienste bieten selten Bonusmaterial, wie es auf vielen Silberlingen der Fall ist.
In diesem Sinne: ein Hoch auf die glänzenden Scheiben!

bp

 
 

3 Antworten auf „Filme: eine physikalische Liebeserklärung an den Silberling“

  1. Vielen Dank für diesen tollen Blog und die damit verbundenen Einsichten in Ihre Bibliotheksarbeit. Ich bin schon seit über 10 Jahren von der Stadtbibliothek Köln begeistert und werde es dank Ihrer beeindruckenden Arbeit sicherlich noch lange bleiben.
    In der letzten Zeit ist mir besonders bewusst geworden, dass Ihre Arbeit Aufklärung bedeutet.
    Aufklärung heißt auch, allen Menschen möglichst kostenlos Zugang zu Bildungsgütern bereitzustellen.
    Warum das auch VR-Brillen beinhaltet, habe ich durch ein Gespräch mit Ihrer Mitarbeiterin bei der Vorführung der VR-Brille verstanden.
    Seitdem ist meine Wertschätzung für die Arbeit der Bibliotheken generell noch gewachsen.
    Und damit bin ich wieder bei dem Inhalt Ihres Blogartikels: ganz richtig stellen Sie fest, dass das “Angebot” der Onlinestreamingdienste – zumindest für ein bestimmtes Publikum – eigentlich recht erbärmlich ist. Wenn man sich für die äußerst umfangreiche Filmgeschichte interessiert, wird es sehr schnell sehr dürftig.
    Sie nennen die IMDb Top 250 – ich habe mich in den vergangenen Jahren durch die Top 100 des amerikanischen Filminstituts (AFI) durchgearbeitet. Ohne DVDs wäre das gar nicht möglich gewesen.
    Ein anderer Aspekt beschäftigt mich aber derzeit, und mich würde sehr interessieren, wie Sie sich zu der aktuellen Entwicklung verhalten, dass Internetanbieter Paywalls errichten zu exklusiv von ihnen produzierten Inhalten. Z. B. ist der Film “The Ballad of Buster Scruggs” von den Coen-Brüdern meines Wissens noch nicht in deutschen Kinos gelaufen und nicht auf DVD erschienen.
    Mir scheint die Entwicklung bedenklich, exklusive Inhalte nicht mehr einer breiten Öffentlichkeit, sondern nur noch bezahlenden Clubmitgliedern zugänglich zu machen. Soll ich bei allen Streaming-Anbietern Abonnent werden, 50 Euro im Monat zahlen, damit ich Zugang zu allen Originalproduktionen habe?
    Wie beurteilen Sie diese Entwicklung? Haben Sie als Bibliothek die Möglichkeit, diese Produktionen im Sinne der Aufklärung wieder einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen?

    1. Es ist sehr schön zu hören, dass Sie unsere Arbeit schätzen. Die Listen des American Film Institute hatten wir auch schon mal gesichtet, irgendwo muss man allerdings beginnen, daher der Start via IMDb. Vielleicht werden wir beim AFI die nächsten Lücken suchen, allerdings wäre auch das Buch “1001 Filme” hier ein spannender nächster Kosmos.
      Der Film “The Ballad of Buster Scrugs” läuft aktuell auf Netflix. Der Film wurde dort produziert und wird dort erstverwertet. Das ist ein bisschen mit der Entstehung des Kinos zu vergleichen, wo die Produktionsfirmen auch lange eigene Säle hatten, ehe sich das etwas aufweichte. Musste man früher ins Kino gehen, wenn man einen Film vor Veröffentlichung sehen wollte, so ist es jetzt der Streaming-Anbieter, der sich diesen frühen Zugang vorbehält. Der Film wird höchstwahrscheinlich nach Ablauf einer gewissen Zeit auch den Weg auf DVD und Blu-Ray und damit in die Stadtbibliothek finden. Wie lange das dauern wird ist bis jetzt ungewiss.
      Physische Medien (u.U. mit digitalen Inhalten) und rein digitale Inhalte sind gesetzlich gesehen leider etwas völlig Verschiedenes. Während wir DVDs verleihen dürfen, sind wir bei der Lizenzierung von rein digitalen Inhalten nach derzeitiger Rechtslage auf die Zustimmung und Preisvorstellungen der Rechteinhaber angewiesen. Bis auf den Streamingdienst Filmfriend haben die Anbieter bisher kein Interesse an der Zusammenarbeit mit Bibliotheken. Wir freuen uns jedoch, dass wir voraussichtlich in wenigen Monaten Filmfriend anbieten können.

      1. Vielen Dank für Ihre informative Antwort.
        Auch wenn der Hinweis auf die Entstehung des Kinos interessant ist, sehe ich doch einen wichtigen Unterschied: man musste vermutlich nicht von jedem einzelnen Kino Abonnent mit einer monatlichen Gebühr werden, in dem pontenziell mal eine interessante Produktion läuft.
        Filmfriend wäre ein tolle Sache.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert